Gephleckt - Von der Sonne und dem Wind

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O, ein Buch!

Gephleckt? »Gephleckt - Von der Sonne und dem Wind« ist der erste veröffentlichte Roman von Christian Wassermann. Der Autor nimmt den Leser mit auf eine verträumte, flüsterleise Wanderung durch die afrikanische Savanne, erlaubt einen kurzen Blick, nicht minder tiefen Einblick in das Leben der Bewohner dort. Deren Freuden lässt er uns fühlen, und das ganze Leid, der Zank mit dem verhassten Biest und die Liebe zu dem ander’n Tier.

Verhasstes Biest? Das kann man so sagen, denn die Protagonisten sind durchweg Tiere, die sich mit ihren naturgesetzlichen Eignungen und Erkenntnissen und Begriffen die Welt erklären. Da haben wir also wilde Biester, furibunde Geparde, verschlafene Löwen, wutschnaubende Gnus, lüsterne Zibetkatzen - alles ist dabei.

Ornament - Tawny und Phleck vereint

Eine Geschichte mit tierischen Charakteren?

Da drängt sich die Frage nach der Art der Erzählung auf wie der Löwe seiner gewogenen Löwin. Denkt man an Tiere, denkt man an eine Fabel. Und zugegeben, an einigen Stellen erinnert die Geschichte an eine Lehrdichtung, gibt Anstoß zum Nachdenken, ist in den meisten Teilen jedoch nicht mehr als eine leichte Erzählung mit erwachsenen Tieren und erwachsenen Sorgen darin. Die Handlung streift zwangsläufig viele dem Leben innewohnende Themen, will diese aber niemals zum Gegenstand haben oder gar Lösungen der gesellschaftlichen Probleme aufzeigen, höchstenfalls benennen.

Wer das Wort der Erzählerin, Hatibu heißt sie, wörtlich nimmt und nicht nach Dingen zwischen den Zeilen sucht, findet darin ein Märchen, das ein kleines Stückchen Leben der afrikanischen Savanne erzählt. Wer mit dem nüchternen Menschenaug darauf sieht und alles »ohne Ton« betrachtet, erkennt das wilde Leben in seiner instinktgetriebenen Leidenschaft. Doch mit der Sprache der Tiere wird daraus ein Blick auf die Gesellschaft mit all ihren Sorgen und Nöten, den Freuden und Schmerzen, die das Miteinander mit sich bringt.

Zwischen herbem Klamauk und bitterem Ernst und honigsüßer Liebe auf ca. 870 Seiten ist also alles dabei, mariniert in eine an »Tom Sawyer« erinnernde, teils augenzwinkernd verschnörkelte Schreibart nach Manier des »Steppenwolfs«, ohne sich je an den Meisterwerken messen zu wollen oder dies gar zu vermögen. In einem Wort: Es ist keine Tiergeschichte, aber es ist eine Geschichte mit Tieren. Das waren sogar elf Worte und ein Komma. Jene Leser, die »Unten am Fluss« liebten, könnten auch dieses Werklein mögen.

Aber worum geht es denn nun?

Zwar ist’s Geschehen nicht so düster wie die besagte Hasengeschichte, hält mit seinem tierischen Porträt des Lebens jedoch manch tragische, manch frohgemute Momente bereit und nicht wenige Begleiterscheinungen des Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft – vom wortwörtlichen Rassenhass, dem Argwohn wider Fremde und angeborenen Vorurteilen ist da die Rede, von Verrat und Liebe, aber auch von katz’ger Folklore und (Aber)Glaube. Das Leben, eben.

Ornament - Tawny und Phleck vereint

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Gephleckt - Von der Sonne und dem Wind

Christian Wassermann

29,99 € Buch / 9,99 € eBook

Pumuzi vom roten Gabelbaum und Jua vom Dornenhain – zwei Sonnenläufer wider rauflustige Erdmännchen und schiedliche Nashörner, dazwischen belehrende Giraffen und tolle Löwen und mörderische, besser noch mordsdämliche Hyänen. Zwei rasend schnelle Geparde eingeholt von ihrer Vergangenheit. Kann das gut ausgehen?

Die Geschichte, ein Zeugnis vergangener Tage, entführt euch in entlegene Teile Afrikas – unerschlossen, wild, ursprünglich. Dort, fern der gewohnten Ordnung, weitab von Sanftmut und Erbarmen, begleitet ihr zwei Geparde auf dem gemeinsamen Weg durch ihre schöne, raue Welt. Was zunächst nach Einklang klingt, ist bald schon Katzenjammer, denn sind jene auch von gleicher Art, haben beide nicht viel mehr gemein als ihre Ungleichheit. So fände man sie unter keinen erdenklichen Umständen je zusammen vor, und eben das Undenkbare zwingt sie dazu – beide vereint auf zauberhafte Weise. Als sei diese Sache nicht genug Beschwer, entdecken sich den zweien bald neue Fährden, eine dem Tode näher als die andere. Und über allem liegt ein dräuender Schatten, ausgeworfen von einer unheilvollen Allianz, gedungen, die gesamten Graslande zu verdunkeln.

Jetzt erhältlich

2. Auflage

Ca. 870 Seiten voller Leben

ISBN 978-3-758-31100-0
ISBN 978-3-758-39412-6 (eBook)

Veröffentlicht am 01.12.2023

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Vorwörtchen

Ehe ich anhebe, muss eines in Erwägung gezogen werden: Eine Einführung ins Geschehen, die sich in ihrer Kürze ohne gebührliche Charaktervorstellung zurechtfinden muss, kommt vermutlich mit der erzählerischen Gewandtheit eines wandelnden Untoten daher – das Hineinversetzen mag schwerfallen, wenn man kaum etwas über die Motivation der Protagonisten weiß. Aber ich will versuchen, die nötigen Dinge so aneinanderzureihen, dass daraus eine verstehbare Handlung wird. Freilich wäre’s besser, zuvor die unten angehängten Kurzbeschreibungen der Charaktere in näheren Betracht zu ziehen.

Was war passiert?

Die Geschichte beginnt recht weit an ihrem Ende – im Moment, da sich der Leser der Wahrhaftigkeit des in den Händen gehaltenen Buches vergewissert, wird er Zeuge, wie ein männlicher Gepard Namens »Phleck«, der auch »Pumuzi« heißt, von einem dümmlichen Pack Hyänen zunächst verlacht und dann gemartert wird, damit er den Aufenthalt der Gepardin »Tawny« preisgab. Phleck weiß nichts zum Verbleib besagter Katze – das bringt ihm weitere Züchtigungen ein, an deren Ende er von den Hyänen verschleppt wird.

Die Leopardin »Hatibu«, unsere Sprecherin hoch in einem Akazienbaume, muss gestehen: Sie weiß nicht, wohin Phleck verbracht wird und was mit ihm fürderhin geschehen soll. Aber sie will die Ohren für uns offenhalten und berichten, sobald sich Neues zur Entführung entdeckte. Indessen bietet sie sich als Erzählerin an, auf dass dem Leser innewürde, warum dieser Phleck überhaupt entführt wurde, anstatt noch an Ort und Stelle den Tod zu finden, wie sich’s in der Wildnis gehörte. Und sie will alles über diese Tawny verraten, die Grund genug für’s fieberhafte Vigilieren ist.

Akt 1

Der Auftakt der Verhängnisse reicht acht Tage zurück - in einer Nacht, der Sonne näher als dem Mond, harrt die Gepardin Tawny im Verborgenen aus. Sie beobachtet ein schlafendes Löwenrudel, flankiert von der Hoffnung, die Löwen brächen im Zwielicht zur Jagd auf - das böte ihr Gelegenheit, die zurückgelassenen Jungtiere zu überfallen. Und tatsächlich ziehen die Löwen nach dem Erwachen aus zur Pirsch. Alles fügt sich wunderbar.

Man kann gar nicht schnell genug erfragen, weshalb das gefleckte Raubtier - dem Löwengeschlecht in allen Kräften unterlegen - einen Angriff auf den Leu entwirft, da springt die Gepardin aus dem Dickicht und hält auf die Jungen zu. Es kommt zu einem ausgemachten Tumult mit wilden Rufen, kopflosen Läufen und Staub, so weit das Auge reicht. So kann es nicht fehlen, dass Tawnys Treiben bald entdeckt wird; die Jagdgesellschaft kehrt zurück, um dem wildgewordenen Weib mit einem angemessenen Groll den nötigen Einhalt zu gebieten.

Die Löwinnen umringen die Gepardin, indes hält die Pranke des Mähnenlöwen Kiongozi das verhasste Fleckenvieh am Boden. Triefende Fänge, Knurren, Fauchen – alles wohl geeignet, einen prächtigen Ärger vorzustellen. Das Ende der Katze scheint gekommen, doch plötzlich geschieht etwas Seltsames: Obwohl die Todfeindschaft zwischen Löwe und Gepard den jähen Tod Tawnys vorsieht, beschließt die Rudelführerin, dem gefleckten Biest das Leben zu lassen. Dieses eine Mal noch, und nur unter dem Protest des Rudels, soll die Gepardin fortleben.

Nach der Freilassung flieht Tawny.

Zu dieser Zeit erwacht Gepard Phleck auf seiner Anhöhe – die Einheimischen nennen diesen Ort »Mtazamo mzuri«. Nach dem morgendlichen Erwachensritual und einem seltsamen Gespräch mit einer nicht weniger seltsamen Kreatur – gemeint ist die Zibetkatze Mnuko – macht sich der Kater zu einer nahegelegenen Farm auf, denn er will dem dortigen Hirtenhund die Aufwartung und fernerhin ein Geschenk machen. Es ist für’s weitere Verstehen nicht zu wissen nötig, welchem Zwecke das Geschenk dient oder wie’s zur Freundschaft zwischen Gepard und Hund kam oder wie man das Gespräch der beiden - es nährt zweifellos die Zweifel am gesunden Geist des Geparden – gleich nach dessen Ankunft nehmen muss, wichtig ist allein: Von Hund und Kater unbemerkt, naht sich auch Tawny der Farm.

Ihr Besuch ist nicht zufällig; wann immer die Gepardin von einem Ingrimm befallen oder ohne Orientierung ist, sucht sie den Hüter und dessen Schafe heim; sie nennt den verdammten Hund einen Schuldigen für ihr verdorbenes Leben, nur seinetwegen ist die Gepardin orientierungslos und grimmig, und nur deshalb verdient der Brack nichts anderes, als das alltägliche Leid mit ihr zu teilen. Damit das Leiden des Hundes das volle Maß erreichte, harrt die Katze im Verborgenen aus, bis sich Kater Phleck von seinem Gefährten verabschiedet.

Kaum ist der männliche Gepard fort, dringt das umtriebige Weib in die Einhegung ein und trieb ihr Unwesen: wilde Hufe, kopflose Läufe, Staub, heilloses Durcheinander. Lange geht das nicht gut; vom Getöse aufgerüttelt kommt der aufrechtgehende Affe, zugleich Besitzer der Farm, herbei und vertreibt das gefleckte Untier mit dröhnender Waffengewalt. Tawny entkommt dem Tod durch den »Donnerstock« nur um Fellhaaresbreite – einmal mehr an diesem Tag.

Zu diesem Zeitpunkt ist kaum etwas von Tawny bekannt, aber wollte man in der Furie ein Unheil sehen, könnte man sagen, das Unheil nahm nun seinen Lauf. Jenes Unheil läuft geradewegs auf Phlecks Anhöhe zu - lange würde es also nicht mehr dauern, bis das zornige Vieh ins Leben des Geparden stolperte, um es auf den Kopf zu stellen. Oder wirft Phleck das Leben Tawnys um?

Wie geht es weiter?

Ja ich weiß, es zeugt von einem niederträchtigen Wesen, just an jener Stelle die Erzählung zu unterbrechen, da sie ihren eigentlichen Anfang nimmt, aber ich möchte euch nicht die Freude nehmen, die kleine große Welt von Tawny und Phleck zu entdecken.

Gephleckt - Von der Sonne und dem Wind

Bestellen Sie ihr Exemplar von: Gephleckt - Von der Sonne und dem Wind, erhältlich als Druck oder eBook.

Christian Wassermann

Ca. 870 Seiten voller Leben

ISBN 978-3-758-31100-0
ISBN 978-3-758-39412-6 (eBook)

Veröffentlicht am 01.12.2023

Protagonisten und Charaktere

Lernt einige der Protagonisten und Charaktere der Graslande kennen.

Ornament - Hyänen
  • Tawny

    Protagonist - Tawny

    Der wahre Name der Gepardin ist Jua vom Dornenhain, Mzaas Tochter, Tochter des Wakila. Jua ist ein recht kleines Exemplar ihresgleichen - oft genug wird sie darum von Mnuko geneckt. Abseits dessen ist sie ein bemerkenswertes Beispiel für Schönheit. Ihr Ebenmaß wird nur von ihren sonnengleichen Augen übertroffen, die geeignet sind, jeden Kater beim bloßen Anblick ins Schwärmen zu versetzen. Außen ist sie bezaubernd schön, im Innern ist sie nur mehr hässlich – launisch, abweisend und bissig und scheinbar ohne Sitte, wiewohl sie den Alten Landen entsprang.

  • Phleck

    Protagonist - Phleck

    Phlecks gebürtiger Name ist Pumuzi vom roten Gabelbaum, Sohn der Koo, Sohn des Tulu, Behüter der Anhöhe, Treiber des verirrten Schafes und einige mehr. Er ist ungewöhnlich hochgewachsen, aber auch - eingedenk seines mangelnden Jagdgeschicks - furchtbar unterernährt, verziert mit struwwelig stumpfem Fell, einem gebrochenen Fangzahn und bekümmertem Blick. So gesehen ist er das äußerliche Gegenteil Tawnys. Dafür ist er im Innern bemerkenswert schön. Diese innere Schönheit bewahrt den Außenseiter aber nicht von der Hässlichkeit des Lebens.

  • Mbwa

    Charakter - Mbwa

    Er ist ein alter Berner Sennenhund. Niemand weiß, wie er, der so fremdländisch wirkt, ins ferne Afrika passt. Er selbst sagt von sich, er sei seit seiner ersten Erinnerung immer hier dagewesen. Der Hund ist pflichtbewusst, und wie man’s dem treuen Gemüt des Hirtenhundes nachsagt, unterwirft er sich dem Menschen und seiner Aufgabe als Hüter der Mashamba. Und an dieser Aufgabe trägt er schwer, seit Tawny alles dafür tat, sie ihm schwerzumachen.

  • Mnuko

    Charakter - Mnuko

    Viel lässt sich nicht sagen über die Vergangenheit der Zibetkatze. Und vermutlich würde niemand etwas von ihr wissen, wenn nicht Phleck zur rechten Zeit am rechten Fleck gewesen wäre, um sie aus den Klauen einer mafiösen Bande Erdmännchen freizukaufen. Ja es ist nicht zu glauben, diese kleinen Biester wollten der Zibetkatze das Fell über die Ohren ziehen. Dem Retter dankte’s Mnuko, indem sie nicht mehr von seiner Seite wich. Daraus ward eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem Geparden und einer von Mnukos niederen Stand.

  • Ngwena

    Charakter - Ngwena

    Das uralte Krokodil - mindestens fünf Katzenleben überdauerte sie nun schon am Ziwa ndogo - pflegt keine Bekanntschaften und hat keine Feinde. Man kann immerhin sagen, sie ist über die Maße nachtragend und starrsinnig. Ebendieser Starrsinn lässt sie einen unbändigen Hass auf Tawny entwickeln. Der Grund dafür muss freilich geheim bleiben.

  • Fisi

    Charakter - Fisi

    Hinter dem Ziwa ndogo, gleich neben den Mahali ya simba, erstrecken sich die Fisi ardhi, beherrscht von jener verrufenen Hyäne mit dem schiefen Maul, dem halben Ohr, dem finster‘n Blick und einer Gestalt, die man in ihrem Ausmaß für einen Löwen halten möchte. Die Anführerin des Clans kennt keine Skrupel, ist leicht aufzubringen, ist kaum schlau, aber längst nicht blöde - ein gefährliches Biest.

  • Memba

    Charakter - Memba

    Viel ist nicht bekannt über jene Hyäne, ein über die Maße intelligentes und geduldiges Tier. Mancher behauptet, sie war einst Führerin des Hyänenstammes in den Verlorenen Landen. Zu der Zeit begab sich, dass sie die Herrschaft mit einem Schlag an die ruchlose Pfote des großen Hyänenschreckens verlor und aus ihrer Heimat verdrängt ward. Durch die Wirrungen des Lebens gelangte Memba als Untergebene in den Stamm der Fisi Ardhi.

  • Kiongozi

    Charakter - Kiongozi

    Kiongozi, Sohn des Mtwala, Sohn der Asali ist der Hüter des Dornstrauch-Rudels - Mvyele, Sumbuo, Kizuka, Kijana, Usononi und seine drei Jungen. Der junge Mähnenlöwe ist trotz des löwentypischen Temperaments umsichtig zu nennen, ja beinahe unsicher ob seines Alters und versucht lediglich, sein Rudel zusammenzuhalten. Aber begegnet er Tawny, verliert er jede Besonnenheit an den Zorn.

  • Myvele

    Charakter - Myvele

    Ihr gebürtiger Name ist Mvyele vom Kratersee, Tochter der Saba, Tochter des Ngana, Hüterin der Gelbgräser und Königin des Dornstrauch-Rudels. Wenn Mvyele gerufen wird, ist die Rede von einer vom Leben gezeichneten und höchstlich respektierten, einstmals wunderschönen, aber auch gestrengen Löwin. Die gebürtige Altländerin erlitt in ihrem langen Leben eine Reihe löwentypischer Prüfungen: zwei Rudelübernahmen, an die Wildheit der Natur verlorene Jungtiere, das Verlassen ihrer umkämpften Heimat. Doch die letzten Sommer als Rudelführerin – sie nennt sie gute Jahre - machten aus ihr eine besonnene und nachsichtige Katze, die trotz der schweren Momente niemals ihre Empfindsamkeit verlor. Des täglichen Überlebenskampfes ungeachtet, ist sie imstande, ihren angeborenen Hass auf andere Rassen abzulegen. Wenn sie es denn will. Einst wäre es ihr möglich, sich den Sonnenläufern anzunähern. Damit machte sie der Großen Mutter die größte Freude.

  • Jaro

    Charakter - Jaro

    Jaro sieht man häufig aufrecht sitzend, er erscheint bei näherem Hinblick bräunlich, erscheint auch etwas struppig und fett ist er obendrein – ein Erdmännchen eben. Ein wirklich fettes Erdmännchen ist er, und während man seine ungewöhnliche Erscheinung feststellt, muss man deren Gewöhnlichkeit anerkennen, denn da es dünne Erdmännchen gibt, muss es auch fette geben, damit es die Dünnen überhaupt geben kann. Das leuchtet ein. Wie jenes Vieh zu seiner räuberischen Lebeneinstellung kommt, blieb bisher verborgen.

Ornament - Ngwena

Leseprobe

Wer nicht warten will, bis er das Buch in den Händen hält oder die bloße Neugier nicht gebändigt bekommt, findet hier eine Pfote voll Kapitel, die ein wenig vom Geschehen verraten sollen, ohne allzu viel zu verraten. So lernt ihr immerhin manche der Charaktere kennen und erlebt Tawny und Phleck bei ihrem typischen Treiben.

Kapitel 1: Unerhörte Weckmethoden

Kapitel 1

Unerhörte Weckmethoden

Tag 8 – Mitten im Tage, im Hier und Jetzt

D

ie Sonne erwacht. Sie scheint im Halbschlaf, zeichnet verträumte Flecken an den Nachthimmel. Wer selbst schon von der Sonne hörte, fragt sich wohl, wie ich es meine – ob die Sonne halb im Schlafe ist oder selbst im Halbschlaf scheine? – und ehe eine Antwort darauf gefunden, naht der Morgen. Mit ihm verstummen die Waffen der Mondenjäger, mit ihm verklingen die aufgeregten Hufe der Gejagten. Es ist Schlafenszeit. Eine friedvolle Stille liegt nun auf der Welt, beruhigend und wärmend, wie die Pfote der Löwenmama auf dem Kinde. Ein kurzer Friede wird es sein, bis die Sonnenläufer die Herrschaft über die Tagzeit an sich reißen.

Doch seht, eine Gruppe finsterer Gesellen hält nichts auf den morgendlichen Schlummer und das Schlafverlangen der Erschöpften, stapft stolpernd und polternd durch die Gazellengründe. Eben erst liefen sie um den Gefallenen Baum und sahen drein, als suchten sie etwas, dann fanden sie etwas, wollten mehr davon und nehmen nun den geraden Weg zur Anhöhe, es zu bekommen.

Zugegeben, der Begriff einer Anhöhe schmeichelt jener Erdverwehung, die an höchster Stelle kaum einen der hungernden Bäume überblickt, ja nicht einmal einen Elefanten übersehen lässt und allenfalls dem Gnu auf Augenhöhe begegnet, doch wie sie eingebettet ins flache Geläuf, erwächst sie zu einem zum Hügel. Hier oben liegt dem Aug des Spähers die gesamte Schönheit der Graslande zu Pfoten: die Malisho ya swala, die Mahali ya simba, Fisi ardhi, der Ziwa ndogo.

Besonders jetzt, in der Trockenzeit, zeigt sich die ungezähmte Anmut dieser Gegend – wenn die Sonne auf das Land herabwütet, durstig die Wasserstellen leert, den Boden rissig trocknet, alles Grüne ausdörrt und nichts hinterlässt als das goldene Meer aus Gras. Einem großen Wasser gleich erstreckt sich die Savanne, wie die Einheimischen die weite Ebene grüßen. Sie verführt selbst wasserscheues Tier zum Baden; erfrischend ist die Brandung des Grases, ein Hauch genügt und alle Halme verneigen sich, begleiten den Weg des Windes in immer neuen Wellen. Heiße Luft streift Tieres Nase, führt Staub und Duft versengter Blätter, raubt den Atem. Wohl dem, der früh das Schwimmen lernte.

Allzu oft ist nicht einmal eine Anhöhe hoch genug, die Herrlichkeit dieser Lande zu bemerken. Statt staunend auf die Welt zu sehen, stellen wir uns willfährig den Aufgaben des Lebens; wir ordnen artig alles Handeln dem innigen Wunsch nach Überleben unter und gewähren dem Blick nur selten Auslauf auf der Augenweide. Fragte man die kleinste Maus und den größten Elefanten dazu – beide sagten, es gäbe weniger verderbliche und unnachgiebige Erdenflecken. Zugleich fände man nirgends einen schöneren Ort, gestünden dieselben, die eben das bittere Leben verfluchten.

O weh, ich schweife ab.

Verzeiht. Als mich der Verfasser dieses Buches in die Stellung der Erzählerin empfahl, da nahm ich ein leichtes Unternehmen an, und ebenso leicht war mein Entschluss. Erst jetzt bemerke ich, wie schwer die Bürde auf mir liegt. Damit euch eine treffliche Schilderung zukomme, soll nichts ausgelassen und nichts überstürzt ausgeführt sein. Doch will ich ausprobieren, auf das Nötigste zu kommen.

 

Die Meute

Was hat es also mit der polternden und stolpernden Meute auf sich, von der ich eben sagte? Jene finsteren Gesellen – es sind vier Hyänen von Natur; drei sind von großer und eine von kleiner Statur – haben für die Schönheit der Lande keinen Sinn, lenken jeden Sinn zu anderen Dingen hin. Und Leidtragende dieses Umstands sind schnell ausgemacht. Kurz vor besagter Anhöhe und recht plötzlich, will ich meinen, hält die zuvorkommende- nein, das ist nicht das richtige Wort. Dieses Vieh ist gewiss alles, doch nicht zuvorkommend. Vorauseilend ist sie. Die vorauseilende Hyäne macht halt, alle Übrigen folgen ihrem Beispiel, verharren in jener Positur, die sie im Moment des Einhalts innehatten, als sei es undenkbar, vor dem Erstarren in einen gefälligen Stand zu wechseln.

»Verschwinde!«, knurrt der Erste in die zirpende Stille der Zikaden. Eine Pfote des Knurrenden trachtet nach dem Störenfried und weitere Rufe folgen – Weg da, weg! Hau ab! Sofort! – in Begleitung der beherzt geschwungenen Pfote. Vom Tumulte angestachelt kommt die zweite Pfote hinzu, und beide zerschneiden fuchtelnd die Luft. »Bozi!«, knurrt der Pfotenschwinger nach hinten. »Kümmere dich um das Vieh!«

»Jawohl, Boss. Wie du wünschst, Boss. Ich werde mich darum kümmern, als wäre es mein eigener Spross, werde sie hegen und pflegen und-«

»Wer sagte etwas vom Hegen und Pflegen, Mann?«, brüllt es auf die kleine Hyäne hernieder. Er, den sie Boss nennen und gern die Pfoten schwingt, sieht in ein verwirrtes Antlitz, das zu entwirren, scheint’s, die Aufgabe eines Anführers ist. »Bozi sag, wie kümmern wir uns um verdrießliches Viehzeug?«

»Du meinst-« Langes Überlegen kommt nach dem kurzen Wort. Da schleicht Bozis Blick von unten her zum größeren und schlechter gelaunten Anführer.

»Verschone mich mit deiner stutzigen Fratze, und mach das Vieh fertig!«, sagte der Übellaunige.

»Aber Boss, ich kann doch keinen Schmetterling verprügeln, erst recht kein Mädchen.«

»Und warum nicht? Überschätzt du die Wehrhaftigkeit des Viehs nicht doch ein wenig?«

Da tritt eine dritte Hyäne heran. Sie gleicht im ungelenken Wuchs dem Anführer und auch das Kopfschütteln ist ihr nicht fremd. Jedoch zur besseren Unterscheidung trägt diese hier Streifen im Fellgewand an jenen Stellen, wo die anderen die Tüpfel haben. In besonnenem Tone bringt die Gestreifte Folgendes hervor: »Ich bin gewiss kein Tier von solch immenser Schläue wie ihr, mein Herr.« Die Gestreifte schiebt die Augen nach links oben, wie es eine tat, die ihren Worten selbst nicht weiter traute als bis zum nächsten Grashalm. »Allein ich glaube, Bozis Sorge gilt nicht seiner wenigen Stärke als der vielen Sittlichkeit in seiner Brust. Einen Schmetterling erschlagen – diese ausgestaltete Bluttat erscheint ihm wohl ziemlich unziemlich, Herr.«

Bozi nickt, der Anführer blickt verwundert, der Störenfried indes will den ausgedachten Mord nicht leiden. Eilends verlässt Frau Schmetterling den Klauenbereich, lässt die Hyänen hinter sich und flattert die eben benannte Anhöhe hinan. Oben angelangt, umrundet sie einen dürren Baum und eine Felsengruppe – vier große, graue Steine beieinander.

Und solange der Sommervogel seine Kreise in die Luft zeichnet, möchte ich flugs auf eine Eigenart der hiesigen Bewohner kommen: So ist es Brauch, gern gesehenen und einprägsamen Orten bedeutungsvolle Namen zu geben. Jeder sonderbar gebildete Baum, jeder zu groß geratene Kiesel, jede Kuhle wird achtungsvoll beim Namen genannt. Aus einem kümmerlichen Wasserloch wird der kleine See – der Ziwa ndogo; ein reizloser Stein, der ohne jede Absicht nahe dem Wasser liegt, wird so zum Wasserstein – der Miamba kando ya maji. Und die Anhöhe? Die heißt nicht etwa Anhöhe oder, weil es der Einfachheit diente, Hügel, wir heißen sie Mtazamo mzuri und preisen die gute Aussicht von droben.

Womöglich ist es diese gute Aussicht, die‘s Schmetterlingsmädchen dazu verführt, die Mtazamo mzuri zum geeigneten Fluchtort zu erwählen und sich, einst die Felsen umflogen, auf einem nahegelegenen Geparden niederzulassen.

 

Der nahegelegene Gepard

Ein nahegelegener Gepard – wie könnt‘ ich’s sonst in Worte fassen? Dort auf dem Hügel schlummert ein leibhaftiger Gepard, und er vollbringt das Schlafen in bewährter Weise: Halbherzig hinter Gräsern verdeckt, liegt er flach auf dem niedergetretenen Gras, der Kopf ruht auf den Läufen, und oben auf, auf des Parden Schopf, erholt sich das Schmetterlingsmädchen vom Hyänenschrecken.

Dem Luftweg des Falters folgen die vier Biester und versammeln sie sich, bis auf Weiteres ohne Radau, um den schlummernden Gepardenkater. Bozi, der Kleine, naht sich der Anhöhe aus Richtung der großen Sandmeere; Memba, die Gestreifte, schleicht von der Abendsonne her; Mfuasi, der Dickste, ächzt aus der Nachtrichtung nach hier. Bleibt noch Kungwi – der Anführer tritt mit der Morgensonne heran. Schritt um Schritt, für‘s laute Hyänenvolk lautlos zu nennenden Trittes, ziehen die Hyänen ein engeres Band um‘s ahnungslose Wild. O weh, das wird kein gutes Ende nehmen. Wach auf, Phleck, will man dem Träumer zurufen, denn was immer die vier Nichtsnutze auf der Anhöhe beabsichtigen, wird einem Geparden keine Freude einbringen.

Und schließlich treffen die Hyänen oben ein.

»Sieh doch, wie er da so traulich sitzt«, sagt Bozi.

»Was weißt du von Traulichkeit?«, erwidert Kungwi. »Und scheinbar hast du auch vom Sitzen nicht viel Ahnung. Denkst du nicht, Fleck liegt eher, als er sitzt? Ich würde sogar sagen, er schläft.«

»Aber ich spreche vom Schmetterling. Sieh doch, wie er Fleck auf der Nase herumtanzt. Nein, ich kann ihr nicht wehtun. Ich- ich kann es einfach nicht, Boss.«

»Um Himmels willen, lass ihr das Leben, solange du nur das Maul hältst!« Der Boss zeigt keinerlei Begeisterung für den feuerfarbenen Schmetterling, er hat nur Augen für den Geparden. »Und du steh auf! Lang genug geschlafen, Kater!« In seiner Ungeduld gibt Kungwi dem gefleckten Langschläfer keine Gelegenheit zur Besinnung, da tritt der rechte Vorderlauf nach den Rippen des Tieres.

»Au!«, murrt Phleck. »Was fuhr bloß in euch? Lasst mich schlafen, Jua!« Eine zaghafte Pfote tastet blindlings nach der fälschlich der Übeltat bezichtigten Übeltäterin, ihres Namens Jua.

»Boss, ich glaube, er möchte nicht aufstehen.«

»Das sehe ich. Allerdings kümmert es mich nur wenig, was er möchte. Wie wäre es also, wenn du mir ein wenig zur Hand gehst, anstatt mich alles allein machen zu lassen? Das gilt für euch alle.«

»Meine Mama sagt immer: Wenn es gut werden soll, mach es selbst, Boss.«

»Hat sie denn auch gesagt, wozu ich euch Taugenichtse dann noch brauche?«

»Leider nicht. Aber wenn wir dir hier keine Hilfe sind, könnten Mfuasi, Memba und ich die Zeit um einiges gedeihlicher am Wasserloch tothauen, als hier auf der Anhöhe dahinzudämmern.«

»Ihr bleibt und bewacht das hässliche Vieh!«, knurrt Kungwi.

»Also ich finde sie ausgesprochen hübsch, Boss.«

»Den Geparden – ich spreche von Fleck. Und jetzt rückt endlich auf, zum Donnerwetter. Entkommt er uns noch einmal, tobt sich Fisi an uns aus, anstatt ihre Launen an dem ausgedörrten Vieh auszulassen.« Neue Hiebe prasseln auf den Schlummernden hernieder, ans Ziel geleitet von grämlichen Rufen, die das Erwachen erleichtern sollen. Und als Kungwis Verdruss das höchste Maß erreicht, fällt eine wütende Pfote auf den Kopf des gefleckten Tieres ein. »Steh sofort auf! Steh auf!«, brüllt jene Hyäne dazu, damit das klar ist. Offenbar ist es ihr ernst.

»Aber Boss, wenn wir weiter solchen Lärm machen, wecken wir ihn noch.«

Womöglich. Und wird der Gepardenkater nicht von den dräuenden Lauten aus dem Traum gezerrt, werden es die verärgerten Streiche verrichten, die längst nicht mehr das Beleben eines Katers zur Aufgabe haben, als dazu dienen, etwas von dem Ärger loszuwerden, den sich Kungwis geisttötende Gefolgschaft an des Parden statt so redlich verdiente. Kein Zweifel mehr, der Gepard soll aufstehen.

Und Phleck öffnet die Augen, blickt verwaschen an Kungwi hinauf, nimmt bald darauf die anderen in den trüben Augenschein. Anfangs dunkle Flecken vor einem gleißenden Licht stellen sie sich als das heraus, was sie sind: Hyänen. Den Schrecken ausgemacht, springt Phleck auf, sieht zu allen Windrichtungen und kann nichts feststellen als die Ausweglosigkeit – er ist umstellt.

»Guten Morgen, Schatz«, sagt Kungwi. »Hast du gut geschlafen? Ich hoffe, wir haben dich nicht zu unsanft geweckt.«

Mfuasi begleitet das Wort mit seinem einfältigen Grinsen.

»Aber, Boss-« Bozis Pfote deutet auf den zitternden Geparden. »Wenn Fleck jetzt dein Schatz ist – was wird Fisi wohl dazu sagen? Ich bin mir ziemlich sicher, sie würde das gar nicht mögen.«

»Natürlich ist Fleck nicht mein Schatz! Ich will ihn bloß verhöhnen.«

»Ach so? Ach so!«, erwidert die kleine Hyäne im Moment vermeintlicher Erleuchtung und wendet sich dem Gefleckten zu. »Darf ich dir etwas zum Essen bringen, werter Fleck? Wie wäre es mit einem Stück Gnu von letzter Nacht? Du musst hungrig sein.«

Kungwi pustet alle Luft von sich. »Mfuasi, erkläre du es ihm!«

»Jawohl, Chef. Sehr gern, Chef«, erwidert eine tiefe, behäbige Stimme vor einer nicht minder behäbigen Hyänengestalt. »Geparde fressen nur frisch Erlegtes, du Fetzenschädel. Fleck würde das alte Gnu nie und nimmer mögen. Und welche Gesellen wären wir, würden wir ihm tagealtes Aas vor die Nase halten?« Gehorsam seine Erklärung dargetan, setzt Mfuasi nun alles daran, den einfältigen Anschein seines Wesens zu verfestigen – er tut das mit dem seligen Grinsen der Gewissheit auf dem Antlitz der reinen Blödheit.

»Du meinst-«, sagte Bozi grübelnd. »Willst du sagen, wir sollten ihm etwas Fangfrisches besorgen?«

»Endlich hast du es begriffen!«, erwidert Mfuasi.

»Bozi, halte die Schnauze«, knurrt Kungwi. »Und, Mfuasi, sollte ich dich je wieder mit einer Frage bewerfen, fange sie bitte nicht auf und niemals wirf sie mir zurück. Ich bin nur einen Schritt davon entfernt, meine Fassung zu verlieren!«

»Dann bewege dich besser nicht von der Stelle, Boss. Sicher ist sicher.«

»Nur keine Sorge, Chef! Falls sie doch verloren geht, werden wir dir suchen helfen. Memba und ich sind ganz famose Sucher. Stimmt’s, Memba? Stimmt‘s? Stimmt‘s? Stimmt‘s?«

Die Gestreifte Namens Memba schüttelt lediglich den Kopf.

Kungwi wendet sich der kleinsten Hyäne zu. »Schnauze – alle beide! Fleck ist nicht unser Schatz, und er bekommt auch nichts zum Fressen! Wenn er je etwas vor’s Maul bekommt, dann meine Tatze.«

»Fleck also nicht mehr dein Schatz? Aber Boss-«

Kungwi verzieht‘s Gesicht, als plagte ihn ein stechender Schmerz, obendrein zur Unzeit, da er etwas auf dem Herzen hat, das dringend gesagt werden muss.

»Halt die Schnauze?«, endigt Bozi das ungesagte Wort.

»Wenn es dir irgend möglich ist, tue es bitte. Du würdest mir damit eine große Freude machen.«

»Will mein Bestes versuchen, Boss, wenn dir so viel daran liegt.«

Kurze Pause.

Nun ruft der leidgeprüfte Anführer die gestreifte Hyäne an: »Memba, möchtest du den beiden Hohlköpfen erklären, warum das verwahrloste Tier dort nicht unser Schatz ist, damit wir uns dem Wesentlichen zuwenden können?«

»Höchst ungern, Herr«, erwidert die Gestreifte. »Und auch nur, wenn es ohne Ansehen der Umstände sein muss.«

»Es muss sein! Und nenne mich nicht Herr

»Gerne komme ich deiner so rücksichtslos auferlegten Bitte nach, Gebieter.« Und so spricht Memba zur kleinsten Hyäne: »Indem wir einen geprügelten Geparden unseren ›Schatz‹ nennen, wiewohl die Züchtigung das Gegenteil beweist, bringen wir ihm Verachtung entgegen. Das höfliche Erkundigen nach Katers Befinden mehrt den dargebrachten Hohn zu guter Letzt, rät ihm doch die ansonst so wohlgesonnene Geste die Zugetanheit einer Gefährtin an. Dabei sind nur wir an Geliebter Stelle, und gewiss wird er durch uns weniger Liebe als Hiebe erleiden. Dieser bemerkenswerte Widerspruch im Reden und Handeln wird seinen seelischen Schmerz gar über den leiblichen erheben.«

»Tun wir das?«, fragt Bozi, ehe er zu verstehen glaubt. »Ja genau, und wie wir das tun.«

»Das wusste ich. Genau, das wusste ich«, ruft Mfuasi hinterher.

»Memba, das war unerwartet gut!«, sagt Kungwi mit einiger Erleichterung im Antlitz. »Aber nenne mich nicht Gebieter

»Zu Befehl, Meister.«

Sofort kneift Kungwi die Augen zusammen, als eine neue Woge des Schmerzes durch den hohlen Schädel tost, sehr zur nicht geringen Freude Membas, jene Hyäne mit dem diebischen Lächeln im Antlitz und den Streifen im Fell.

 

Erleuchte mich, Kater!

Der Anführer der Bande bläst den Atem seufzend aus, wie so oft an diesem Morgen. Sein zermürbter Blick wechselt von seinem Gefolge zum Parden: Da sind verängstigte Augen, ein galoppierendes Herz in Katers schmaler Brust und Tränen, die einen Weg vom Aug hinab zur Wange suchen; statt eines Wortes weicht nur heiße Luft aus dem ruhelosen Maul, ein Seufzen eben. Das Knurren des Hyänenoberhauptes beschließt den Plausch unter Männern; für Kungwi ist‘s nun an der Zeit, sich seiner Aufgabe zu besinnen – er muss den Kater zum Reden bringen, notfalls zwingen.

»Kommen wir zu dir«, sagt Kungwi.

Und der Gebieter nimmt das Wort wörtlich, tritt auf wenige Nasenlängen an den Kater heran. Große Katzenaugen erwidern den wilden Blick, ein weiteres Wort entkommt dem Hyänenmaule nicht, dann jagt ein Hieb auf Phleck herab, verfehlt das Aug des Parden nur um Krallenbreite. Ein gequälter Laut erfüllt die Anhöhe – es ist das Einzige, das der Gepard einem solch ungestümen Streich zu entgegnen weiß, ehe der Atem stockt im Entsetzen über’s arge Gebaren. Phleck bekommt nicht einen Gedanken mehr zu fassen, da erlahmen die Läufe; er fällt zu Boden. Zeit zum Bedenken bleibt ihm nicht, da stürzt sich die Hyänentatze wieder auf ihn und wieder und ein weiteres Mal – rote Furchen im Antlitz attestieren die Gewalt.

»Du elendes Vieh!«, knurrt Kungwi zwischen den Hieben. »Sag mir endlich, wo das widerspenstige Weib steckt, das sich in den letzten Tagen an deiner Seite herumgetrieben hat! Ich frage dich das nur einmal: Wo ist Tawny? Wo steckt-«

»Ich glaube, das Weib heißt Jua, Boss.«

»Tawny? – Jua? – wo treibt sich das Mistvieh herum? Rede oder ich mach dich alle!«

Ohne es selbst zu bemerken, tastet sich Phlecks Pfote zur getroffenen Stelle am Schopfe vor, erfühlt den Schmerz und führt sich das ganze Leid vor Augen – die rotgefärbte Tatze jagt dem Kater die gebotene Furcht in die Glieder. »Aber-«, sagt der zögerliche Phleck mit einer Miene, die all seine Überraschung vorstellt. »Wo- womit verdiene ich mir solch ein Betragen? Tat ich euch je ein ähnlich‘s Leid? Ist‘s etwa wegen der alten Löwin? Oder tragt ihr mir das Narren mit dem Hasenknochen nach? Ach, verzeiht mir das eine und das andere. ’s war niemals mehr als Tollheit, unbedacht und dumm von einem Sonnenläufer

»Schnauze! Ich stelle die Fragen.« Kungwi reckt den Lauf zum Schlag empor und gibt dem beunruhigten Kater einen Moment des Innewerdens. »Sage mir endlich, wo Tawny steckt!«

»Sie ist fort!«, schreit Phleck zwischen seinen Tränen hindurch. In Erwartung des Schmerzes schließt er die Augen und wendet sich ab. Der Streich bleibt aus, dafür findet sich Katers Unvernunft auf der Anhöhe ein, denn der Geprügelte will beileibe nicht begreifen, welchem Zwecke die Züchtigung dient. »Wenn ihr Jua nirgends erblickt, ist sie womöglich nicht hier. Der Gedanke müsste selbst einem Blödling wie euch in die ungestalte Rübe kommen. Bei der Großen Mutter, wie ist es nur möglich, dass beinahe jede von eurer Art so entsetzlich schwerfällig ist?«

»Wie war das?«, fährt Kungwi den Parden an.

»Boss, ich glaube, Fleck versteht nicht, warum du so verdammt blöde bist.«

»Ich habe es gehört, Bozi.«

»Dann ist ja gut, Boss. Geparde sind wirklich dämlich, was? Die verstehen so gar nichts.« Bozi blickt lachend zum Anführer in hechelnder Erwartung belächelnder Bekräftigung.

Kungwi seufzte lang. »Bei der Rückenmähne meiner Mutter, wird dieser Morgen jemals enden? Ich kann das nicht mehr.«

Von den Sporen des Ärgers getrieben lässt Phleck nicht von der Hyäne ab: »Wie immer sind’s die anderen, nicht wahr?«

»Was möchtest du mir sagen, Fleckenvieh?«, knurrt Kungwi.

»Was würde’s nützen?«, sagt Phleck. »Ihr verstündet es nicht im Geringsten.«

»Nur zu, erleuchte mich, Kater! Dann werden wir es sehen.«

»Wie ihr verlangt! Wollen wir also das Wesen der Rangordnung betrachten: Fragte ich euch, ob die Tauglichen von euch die etwas weniger Tauglichen anführten, bekäme ich eure Zustimmung? Und nähmen wir dieses an als unumstößliche Wahrheit, führte dann nicht der Dumme die Dümmeren? Und befehligten die Dümmsten nicht die Idioten, die ihrerseits die Geisteskranken kommandierten? Wenn’s so ist, lasst uns innehalten.« – für eine gedankenvolle Pause. In diesem Augenblick flieht die letzte Besonnenheit von hinnen. »Und, habt ihr es bedacht, zu welcher Sorte Anführer wir euch zählen können? Dann sagt es ohne Falsch: Was sonst, als diese Brackhunde, könntet ihr jemals anführen, ihr, der doch selbst kaum besser dran ist? Wahrlich, besonders schlau geraten seid ihr nicht. Wärt ihr nur ein wenig blöder, gäbe es keinen mehr für euch, der sich zum Führen eignete.«

Memba, im Rücken der übrigen Hyänen, schmunzelt leicht.

»Amüsant, Kater!«, entgegnet Kungwi, nickend in Anerkennung. »Guter Fleck- oder muss ich seine Hoheit beim ganzen Namen nennen, damit er mir seine ganze Aufmerksamkeit schenkt? Nun, Pumuzi vom roten Gabelbaum, jetzt höre mir genau zu, denn dir scheint deine Lage nicht geläufig zu sein: Du wirst mir augenblicklich sagen, wo Tawny- oder Jua- Verdammt, wie viele Namen habt ihr eingebildeten Viecher eigentlich? Elendes Altländerpack. Du sagst mir sofort, wo dieses verwünschte Weib steckt, und dann wirst du uns zu ihr bringen oder dein beschwerlicher Tag beginnt schon jetzt! Ich werde dir jeden deiner Flecken aus dem Pelz hauen. Und wenn du es nicht anders haben willst, fange ich gleich hier auf deiner Anhöhe an.« Aus der ausgesprochenen Drohung wird schmerzliche Gewissheit – ein neuer Streich zwingt den Geparden zu Boden. »Sag mir endlich, wo Tawny ist!«

»Ich weiß es nicht!«, erwidert der Kater im Schmerze, und neue Tränen kullern herab. »Bei der Dhakiya, begreift es doch! Ich weiß es nicht.«

Bozi schmunzelt. »Geparde sind so niedlich, wenn sie wütend sind.«

Kungwi nickt. »Und wenn man diesen hier so ansieht, könnte man denken, Tawny hätte ihn verlassen.« Plötzlich lacht der Anführer auf, als er ganz angetan von seinem Gedanken. »Moment, Moment, sie hat dich tatsächlich sitzenlassen.«

»Aber Boss, Fleck hat doch bis eben noch gelegen. Das- das hast du selbst gesagt. Genau. Du hast sogar behauptet, er würde schlafen.«

»Du elender Dummkopf«, sagt Mfuasi. »Du nimmst Chefs Ausspruch viel zu wörtlich. Sitzenlassen – das ist bloß eine Redensart.«

Bozi schaut nachdenklich drein. »Eine Redensart, ja? Was für eine Art zu Reden soll es sein, etwas zu sagen, das man gar nicht meint? Das klingt mir eher nach einer Unart.«

»Es geht doch nicht um die Art, zu reden«, sagt Mfuasi. Er ringt dabei um jeden Satz, der seine schlichten Gedanken erklärte. »Die Rede ist von einer bestimmten Sorte Worte, also Worte von einem gewissen Schlag.«

»Ein gewisser Schlag Worte?«

»Genau! Im weitesten Sinne rede ich von Schlagworten.«

Die Miene der kleinen Hyäne hellt sich auf. »Ein Idiom. Du sprichst von einem Idiom.«

»Wen nennst du hier Idiom?«, fragt Mfuasi.

»Aber du-«

»Ich werde dir zeigen, wer hier ein Idiom ist. Selber Idiom!«

Memba wendet sich beschämt ab, gibt vor, sie wäre nicht Teil der Meute. Indes besieht Kungwi den traktierten Kater, wie der sich nicht einmal das Fauchen zutraut – längst gebrochen sein Widerstand, der niemals wesentlich. Die Hyäne schiebt eine Pfote unter Phlecks Kinn und hebt den hängenden Kopf des Katers an, auf dass der Blick ins verheulte Antlitz möglich wird. »Hat sie dir denn so viel bedeutet, dass du ihr nachweinen musst? Dabei wäre es besser für dein Heil, du würdest sie gar nicht kennen oder dich zumindest von ihr fernhalten, törichter Kater, du. Stattdessen steckst du bis über beide Ohren im Elend, allein ihretwegen.« Kungwi lächelt im Moment seines Triumphes über den Gefleckten. »O, Fisi wird rasend vor Begeisterung, wenn sie dich sieht, befürchtete sie doch, sie könnte ihre Freude mit niemandem teilen. Nun wird es ihr ein besonderes Vergnügen sein zu sehen, wie der kleinen Kratzbürste das Fell über die Ohren gezogen wird. Aber keine Sorge, hochwohlgeborener Pumuzi, du darfst natürlich zuschauen, darfst deiner kleinen Freundin gerne beistehen oder in den Tod nachlaufen – wie du möchtest. Wir sind schließlich keine Tiere.«

Phleck knurrt – ein Knurren, das nichts als eine angeborene Gebärde ist, die ein Raubtier im Augenblicke des Grimms zu leisten hat.

»Aber Boss, wenn der Kater die Pardin so sehr mag, will er vielleicht gar nicht dabei zuschauen, wie ihr etwas Böses geschieht.«

»Bozi, bringen mich meine Kopfschmerzen nicht um, dann deine Dummheit.« Kurz darauf gibt Kungwi das Zeichen zum Gehen. »Gebt acht, dass er nicht entwischt! Fisi will sie beide.«

Einige Illustrationen

  • 01-bis-einer-weint.jpg Von Parden und Lämmern
  • 02-die-erzaehlerin.jpg Hatibu, die Erzählerin
  • 03-guten-morgen-phleck.jpg Mnuko bei ihrer Lieblingsbeschäftigung
  • 04-unerhoerte-weckmethoden.jpg Unerhörte Weckmethoden
  • 05-der-gehoernte-oder-die-kuh.jpg Autsch!
  • 06-draeuende-gefahren.jpg Trügerische Stille
  • 07-ansichten.jpg Abschied
  • 08-nicht-mehr-und-nicht-weniger.jpg Nicht mehr und nicht weniger
  • 09-so-spielt-man.jpg So spielt man
  • 10-war-es-schoen-fuer-dich.jpg *knurr*
  • 11-dir-zeig-ichs.jpg Flammen
  • 12-katzenjammer-jetzt-erst-recht.jpg Derpy Mnuko

Der Autor

Christian Wassermann, ältestes von drei Kindern, mittelgroß, mit Augen mittelgrün, im Mittel mittelalt und mittlerweile mittellang langmütig verehelicht, lebt seit vierzehn Jahren in Wiesbaden. Bei Tage ist er nüchterner Softwareentwickler, bei Nachten ist er Befreier des Leichtsinns und Lustbarkeit. Als Mann der leisen Worte, wortverspielt, alliterationsvernarrt, ist ihm das Schreiben näher als das Reden.

Er liebt es, alltägliche Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen oder gar neue Blickwinkel zu erschwindeln, etwa indem er durch das Auge eines Tieres auf unsere Welt blickt – so geschehen in seinen Kurzgeschichten. Was, wenn eine Katze auf die ägyptische Sphinx träfe? Wie wäre es wohl, wenn arglosgeglaubte Erdmännchen wahre Bösewichte wären? Wie mag es ausgehen, wenn sich ein Biber, dem der Waldmeister im Nacken sitzt, nach einer neuen Stammbelegschaft umschaut?

Nimmt man seine quälende, und wie er sagt, nicht zu zähmende Faszination für die wilden Katzen Afrikas hinzu, was liegt da näher, als zwei Geparden in seinem Debüt-Roman »Gephleckt – von der Sonne und dem Wind« das meiste Wort zu erteilen?

Ornament - Mvyele mit ihren Jungen

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Impressum

Christian Wassermann
Alexander von Humboldt Straße 38
03222 Lübbenau

Ornament - Tawny und Phleck vereint

»Tierisch«

Lust auf weitere Tiergeschichten? Einfach mal heraus aus der sengenden Hitze der Savanne und hinein in den kühlen Wald oder hinaus in die saukalte Winternacht? Dann ist die kleine Reihe »tierischer« Geschichten genau das Richtige.

Buchvorstellung von »Verdammt! - Von Igeln und Bibern«, dem tierischen ersten Band der »Tierisch«-Reihe von Christian Wassermann

»Verdammt!«

»Verdammt! - Von Igeln und Bibern« ist der erste Band - wohl eher ein Bändchen - der »Tierisch«-Reihe von Christian Wassermann. Zum Start der Reihe nimmt der Autor den Leser mit auf einen Streifzug durch den heimischen Wald. Eine Tragödie.


Buchvorstellung von »Verliebt! - Die Streuner vom Scheunentor«, dem tierischen zweiten Band der »Tierisch«-Reihe von Christian Wassermann

»Verliebt!«

»Verliebt! - Die Streuner vom Scheunentor« ist der zweite Band - wohl eher ein Bändchen - der »Tierisch«-Reihe von Christian Wassermann. In der Fortsetzung der Reihe nimmt der Autor den Leser mit auf einen Streifzug durch die Vorstadt. Ein Drama.



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